40- RAD AUF DRAHT- Auf einem Søppelweg von Alta nach Skoganvarre
16.8.2019, katrin[at]lightriders[dot]info, martin[at]lightriders[dot]info
Unsere Route

13.8.2019
Aufbruch aus Alta pünktlich um 12:00 bei tiefhängenden Wolken. Es ging teilweise entlang des Altaflusses durch Nadelwälder und wir fanden alle, dass es hier schon ziemlich finnisches Flair hat.

Bei einem Supermarkt-Zwischenstopp wurde unsere Lebensmittelversorgung für 4 Tage organisiert. Wieder einmal "wollten" wir der E6 entgehen und uns durch das Fjell bis nach Skoganvarre wagen. Deshalb wurde gleich heute beim Zusammenpacken auf die Gewichtsverteilung am Rad geachtet und Martin, der Frühaufsteher, hat dankenswerter Weise meine Asphaltschlurfen gegen die Reifen die greifen getauscht. Julia hat auch noch ihre Bremsbeläge gewechselt. Bei einem letzten Stopp in der Zivilisation- bei einem Nahversorgungsladen- stärkten wir uns nochmals. Während wir draussen unsere Jause verspeisten, kam die Angestellte nochmals heraus um für ihr/e ChefIn nachzufragen woher wir kommen und wohin wir wollten. Nachdem wir ihr die Auskunft erteilt hatten, meinte sie nach nochmaliger Rücksprache mit der Chefität: aber da wo wir entlang fahren wäre die falsche Richtung ans Nordkap. Wir präzisierten, dass wir durchs Fjell bis Skoganvarre fahren wollten. Aha. Und so fuhren wir die letzen Kilometer in leichtem Regen zum Traktorweg, den wir nehmen wollten und damit dem Start unserer Fjelltour.

Wir wussten anhand unserer Recherchen der Satellitenbilder, dass ein eindeutiger Weg tatsächlich bis nach Skoganvarre führte- also schien es uns auch anhand der Topografie sicher durchzukommen. Zu Beginn des Traktorweges studierten wir den dort aufgestellten Tourenplan und stellten mit Begeisterung fest, dass unsere geplante Route eine durchgehende, ausgeschilderte Mountainbikeroute war.

Der sollte uns entlang der alten Telegrafenleitung führen. Ja also das wird sicher besser als unser letzter Weg durchs Fjell. Wir waren optimistisch und zu regnen hatte es auch aufgehört. Uns war auch klar, soviel hatten wir bereits dazugelernt, dass wir die ersten paar hundert Höhenmeter teilweise schieben müssten. Das taten wir auch, es ging mal wieder sacksteil auf das Fjellplateau hinauf.

Unterwegs trafen wir auf einen netten Herren der uns mit seinem Quad entgegenkam. Wir unterhielten uns über unseren Weg und er erklärte uns nochmals genau wann wir auf die alte Telegrafenleitung stoßen sollten. Die Telegrafenleitung an sich gibt es nicht mehr, da sie im 2. Weltkrieg zerstört wurde, aber man sähe noch die alten Masten und Steinhaufen. Und genauso kam es. Als wir am Plateau ankamen fanden wir die Telegrafenmasten und den beschilderten Weg, auf den wir abzweigen mussten.

Hier überholten uns drei Quads mit Bootsanhänger und ein norwegisches Pärchen das mit ihrem Quad am Weg zu ihrer Hütte war um Beeren sammeln zu gehen. Wir plauderten mit ihnen und sie meinten, dass sie auch öfters mit den Rädern diesen Weg zur Hütte fahren würden. Allerdings ist der Weg eher "dårlig"- also schlecht.

Naja, bisher war der Weg eigentlich ganz gut- da sind wir schon schlimmere Wege gefahren. Wir radelten weiter und schon bald darauf kamen wir zu dem ersten Schlammloch, das wir umschieben mussten. Eines ist Keines. Tendenziell bergauf ging es bis auf 500m.

Nach knappen 30km beendeten wir unsere Fahrt für heute und schlugen unser Zelt auf.

14.8.2019
Auch heute war es bewölkt, geregnet hatte es aber nur in der Nacht ein bisschen. Nach Frühstücken und Zusammenpacken starteten wir unsere Weiterfahrt durchs Fjell. Für die insgesamt 84km lange Tour haben wir 3 Tage und 2 Übernachtungen im Fjell anberaumt. Es ging wie üblich bergauf, bergab, teils sehr holprig,

durch oder vorbei an Schlamm- oder Sumpflöchern

und dann wieder bergauf- dieses oft schiebend. Gefühlt haben wir tausend Flussläufe durch- oder umfahren oder von Stein zu Stein hüpfend gefurtet.

Manchmal wussten wir nicht ob der Weg dem Bach folgte oder der Bach dem Weg.

Kaum waren wir auf dem höchsten Punkt eines Hügels angelangt, sahen wir den Weg in der nächste Senke bzw. im nächsten Gatschloch verschwinden und am gegenüberliegenden Hügel wieder hinaufwinden.

Aber das Highlight an diesem Tag war unsere Kneippknur durch das Gelsenpfuhlflusstal. Badeschlapfen an und durch. Umschwirrt von Millionen von stechwütigem Kleingetier furteten wir die Räder durch den Fluss/See. Eigentlich fanden wir es ganz lustig.

Weiter ging es durchs Gebüsch stets begleitet von der Stechmücken Armada. Bei jeder noch so kleinen Gelegenheit gab es ein paar Gelsenstiche oder Kriebelmückenbisse mehr- sei es beim Pausieren oder Schieben.

Wenigstens gab es keine Bremsen mehr. Seit Anfang August sind diese praktisch verschwunden. Wir mussten noch einige Höhenmeter den Gegenhang hinauf- in der Hoffnung dass dort mehr Wind zu finden war um die Biester zu vertreiben. Leichter gesagt als getan. Der Weg wand sich durch das Gebüsch von Sumpfloch zu Sumpfloch. Von fahren kann man eigentlich nicht sprechen. 100m fahren, absteigen, Ausweichstrecke um das Sumpfloch suchen, schieben, aufsteigen 150m fahren, usw. Die Motivation hielt sich am Ende des Tages in Grenzen. Wir haben immerhin knappe 30km geschafft bevor wir unseren Schlafplatz auswählten.

 

Langsam waren auch die zwei Abenteuerlustigen der Gruppe davon überzeugt, dass ein Offroadabenteuer mit dem Fahrrad doch nicht so spaßig ist. Die Schuhe waren mittlerweile bei allen durchnässt. Immerhin machten sich jetzt die wasserdichten Socken bezahlt.

15.8.2019
Angesichts der Wegbeschaffenheit stellten wir uns den Wecker auf 7:00 Uhr- es regnete. Nichtsdestotrotz starteten wir um 9:30. Es war ein Traum: es war neblig und mit bereits nassen Schuhen und kalten Zehen- was ich sehr zur Freude der anderen etwa 10 Mal anmerken musste- ging es los.

Unsere wasserdichten Socken wurden einem Härtetest unterzogen. Am Ende des Tages wird sich herausstellen ob sie ihren Namen zu Recht tragen. Anfangs war der Weg wie gewohnt: verblockt, rumpelig aber griffig, durchbrochen von Schlammlöchern. Nach einer kurzen Bergabfahrt trafen wir auf 3 Zelte und einen netten Fischer. Es war einer von den 3 Quadfahrern die uns am ersten Tag überholten. Er meinte in zwei Kilometern sollte der Weg besser werden. Das waren gute Nachrichten und der Regen hatte auch aufgehört. Wir blieben also stehen und zogen uns das Regengewand wieder aus. In der Zwischenzeit kam der Fischer wieder zurück. Unter dem Arm hatte er drei Bierdosen die er uns anbot. Ich meinte wir könnten doch nicht mit Bier radln- aber es war natürlich alkoholfreies. Ich meinte- achso aber wir mögen kein Bier- daraufhin bot er uns Kaffee an. Voll entzückend. Leider, meinte ich, sind wir etwas unter Zeitdruck, da wir heute gerne bis Skoganvarre kommen würden und es noch mehr als 30km waren. Daher müssen wir leider weiterfahren. Total nett- irgendwie tat es uns leid, dass wir die Einladung nicht angenommen haben aber angesichts des Weges schien es uns vernünftiger weiterzufahren.

In zwei Kilometer war der Weg wirklich besser und richtig nett zum Dahinrollen.

So hatten wir uns das vorgestellt- endlich!

Das Genussradln war allerdings nur von kurzer Dauer. Danach begann das übliche Spiel. Bergauf und bergab. Von Gatschloch zu Gatschloch.

Zwischendrin eine kleine Flussfurt.

Holter di Polter über den verblockten Weg. Die Fullies waren hier klar von Vorteil. Aber ich habe mich mit meinem Hardtail wacker geschlagen und bin ohne Rücksicht auf Verluste rauf- und runter über die Steine geholpert. Wie lang das Material das mitmacht wird sich ebenfalls herausstellen- die Schwachstelle sind sicherlich die Packtaschenhalterungen bei dieser Rumpelei. Wieder schien das bergauf/bergab kein Ende zu nehmen und irgendwann im Sumpfgehatschel verloren wir den Weg. Natürlich gerade dann als auch ein wenig Nebel über uns drüber zog.

Dank unserer GPS Navigation schoben wir die Räder querfeldein in die entsprechende Richtung und fanden den Weg auch wieder.

Das kostete halt Zeit. Julia hatte offensichtlich schon genug von ihrem Abenteuer- ihr Ziel war eine Hütte am Campingplatz in Skoganvarre für heute Nacht. Dementsprechend mussten wir uns ranhalten und Pausen waren gar nicht gern gesehen, sonst geht hier ja nichts weiter... Rentiere fotografieren ist gerade noch erlaubt.

Nach der Hälfte der Wegstrecke von heute, nach ca 17km, sollten wir zu einem Fluss kommen. So wie wir die Karte interpretierten, müsste es eine Brücke geben. Je mehr wir uns dem Fluss näherten desto mehr bezweifelten wir dies. Und so war es dann auch. Wieder einmal hieß es Schuhe aus, Badeschlapfen an, Pobacken zusammenzwicken und durch.

Ich hab gar nicht gemeckert, und es war eigentlich ganz witzig oder wenigstens eine Abwechslung und nach einigen Metern hatte man sich an die eher frische Wassertemperatur bei nicht gerade Badewetter gewöhnt. Weitere 6km ging es im üblichen Programm weiter.

Nur die kaputten Telefonmasten wurden um intakte Stromleitungen ergänzt.

Nach diesen 6km kamen wir zu einer ersten längeren Abfahrt- wie üblich eine holprige Angelegenheit.

Aber in der Ferne ein Lichtblick: eine Rentierherde und Sonnenstrahlen.

Es ging jetzt noch einmal in eine Senke zu einem See, über einen Hügel und dann war es geschafft. Wir erreichten wieder die Baumgrenze und wir radelten durch Sumpfland und Nadelwald an den See.

Dort kamen wir auch an einer idyllischen Hütte vorbei- es roch nach Lagerfeuer. Und als wir um die Ecke bogen, kamen auch schon die neugierigen Besitzer: ja wo kommen denn wir her? Vom Fjell? Tøft! (taff, zäh, toll). Ihr Sohn radlt den Weg von Alta auch manchmal über das Fjell- in 17h! Ob es sich hier nicht eher um Radlerlatein handelt? Wir plauderten noch ein bisschen und fuhren dann weiter. Wir nahmen die letzten Hügel in Angriff.

Gespickt mit einigen Schiebepassagen wartete der Weg zum Schluss auch nochmal mit einigen groben Blockpassagen auf. Die letzten Meter waren durch den Wald dann doch gut fahrbar.

Nach 34km gelangten wir auf die Forststrasse. Kaum zu glauben- wir hatten es geschafft. Nach kurzer Zeit erreichten wir auch den ersehnten Campingplatz. Um 15min zu früh- die Rezeption war kurzfristig unbesetzt. Da hätten wir doch locker das alkoholfreie Bier oder den Kaffee mit dem netten Fischer acht Stunden vorher trinken können! Wir nahmen uns eine Hütte mit Dusche und WC- koste es was es wolle! Und ein Abendessen im dazugehörigen Café mit Pizza hatten wir uns auch verdient. Wir buchten uns gleich wieder für zwei Nächte ein- da waren wir uns einig. Unser Fazit: ein Søppelweg- das ist auch Martins Meinung. Søppel ist das norwegische Wort für Müll und das ist genau die richtige Bezeichnung für diese "MTB-Strecke". Wir können uns nicht vorstellen, dass sich jemand diese Strecke freiwillig ein zweites Mal antut. Endlich sind alle davon überzeugt, dass Mountainbiken hier offensichtlich etwas anderes bedeutet als bei uns daheim im schönen Wienerwald. Und wir wissen jetzt auch, warum NorwegerInnen zum Mountainbiken nach Dänemark fahren (siehe Blog 18). Das Material hat sich bei mir ganz gut geschlagen- nur eine Schraube von meiner Packtasche ist verloren gegangen. Die wasserdichten Socken waren den Preis wert: ich hatte doch nach 3 Tagen Schlammgewatschel und wirklich nassen Schuhen noch immer trockene Füße. Am Abend wurde noch ordentlich herumgekramschtlt: Die Schuhe wurden gereinigt, die Wäsche gewaschen- schließlich muss alles wieder rechtzeitig einsatzbereit sein.

16.8.2019
Die Schuhtrocknungskonstruktion wurde optimiert- sonst wird das nie etwas.

Die Räder wurden vom Gatsch befreit.

Das Zelt wurde getrocknet, die Schlafsäcke gelüftet, Julias Regenjacke geklebt, Fotos überspielt, usw. Immerhin fanden wir heute auch Zeit zum Entspannen und die Sauna zu genießen. Ein Glück, dass die Besitzerin hier offensichtlich aus Finnland stammt.

Gesamtkilometerstand: 6345km

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