39- UNTER STROM- Übers Fjell von Badderen nach Alta
13.8.2019, katrin[at]lightriders[dot]info, martin[at]lightriders[dot]info
Unsere Route

7.8.2019
Heute fand der große Aufbruch aus Tromsø statt. Ab nun gings zu dritt weiter Richtung Nordkap. Bei der Eismeerkathedrale wurde natürlich noch mal kurz für ein Erinnerungsfoto mit der erweiterten Mann- oder besser gesagt Frauschaft Halt gemacht.

Der Weg führte Richtung Breivikeidet um dort die Fähre über den Fjord hinüber nach Svensby zu nehmen.

Julia hatte großes Glück, denn wir haben unterwegs eine Elchkuh mit einem Nachwuchs beobachten können. Nachdem sie uns bemerkt hatten, waren sie leider wieder viel zu schnell für ein Erinnerungsfoto verschwunden. Das nächste Highlight war, dass wir heute die 6000km Marke überschritten haben.

In Breivikeidet angekommen waren wir genau pünktlich denn die Fähre fuhr auch gerade in die Anlegestelle ein. Hier fahren übrigens Fußgänger und Fahrradfahrer gratis mit, sehr angenehm. Auf der anderen Seite  in Svensby angekommen überlegten wir kurz ob wir hier für heute nach ca. 55km Schluss machen oder ob wir noch 22km weiter nach Lyngseidet fahren sollen. Wir entschieden uns dazu Feierabend zu machen und stellten am Campingplatz in Svensby unser Zelt auf. Hier waren wir nun bei den sogenannten Lyngen Alpen angelangt und wir sahen schon schroffe, mit Schnee bedeckte Berggipfel um uns herum.

8.8.2019
Bei einem Traumwetter ging es um 10:30 Uhr aus Svensby los in Richtung Lyngseidet, wo wir die Fähre nach Olderdalen nehmen wollten.

Da bis zur Fährabfahrt noch genug Zeit war, kauften wir beim nahegelegenen Supermarkt noch Gesundes und Ungesundes für die Verpflegung ein.  Dann ging es per Fähre nach Olderdalen. Bei der Überfahrt konnten wir einige Papageitaucher beobachten. In Olderdalen angekommen stärkten wir uns mit thailändischem Essen für unsere Weiterfahrt. Ab hier hieß es nun auf der Hauptstraße E6 weiter zu fahren.

Wir sind ihr schon weiter im Süden begegnet, dort haben wir sie aber nur gekreuzt. Die E6 ist die Hauptverbindungsstraße zwischen Norden und Süden (und oft auch einfach nur die einzige Straße) und dementsprechend stark befahren. Alle die mit dem Auto, Wohnmobil, Wohnwagen, Motorrad, ... ans Nordkap fahren, fahren auf der E6. Wir werden versuchen, sie so weit wie möglich zu vermeiden. Das Panorama auf die Lyngen Alpen war auf der heutigen Etappe ein stetiger Begleiter- sehr zur Freude von Julia die schon auf die neue Schitoursaison wartet.

Mittlerweile hatte es zugezogen und nach 56km beschlossen wir auf einem idyllischen Campingplatz Schluss zu machen.

Hier war es genau so wie am Anfang unserer Reise- kaum etwas los. Wir teilten uns die riesige Wiese mit einem zweiten Zelt, einem Wohnwagen mit Katze und einem Caravan mit Hund. Die Ausstattung versetzte uns ca 30 Jahre zurück, war aber außerordentlich gut gepflegt und sauber.  Die Besitzerin wusste schon die Antworten auf unsere noch nicht gestellten Fragen- nach 40 Jahren Erfahrung kennt sie die Fragen bereits. Nach einer warmen Dusche, einem Abendessen unter freiem Himmel und getaner Arbeit ging es ins kuschelige Zelt.

9.8.2019
Heute war es bewölkt.

Schon kurz nach der Abfahrt umfuhren wir einen Tunnel und sammelten dabei ein paar Höhenmeter indem wir die alte Bergstraße hinauf fuhren bevor wir bei einem Café stehen blieben um uns was Süßes zu gönnen. Nur einige Kilometer danach stoppten wir für einen Einkauf und Julia stockte ihr Equipment ebenfalls um einen Kopfpolster auf. Wir fuhren weiter entlang der E6 und sichteten heute sogar zwei Elche auf der Wiese neben der Fahrbahn. Die Sonne kam doch noch heraus und bei Sonnenschein, aber auch Gegenwind ging es auf 401hm auf den Kvænangsfjellet.

Die Abfahrt war flott- vielleicht zu flott... bei Martins Rad machte es in der Abfahrt plötzlich laut *PENG* und er fuhr sofort rechts ran denn hier hat irgendein Material nachgegeben. Glücklicherweise ist "nur" eine Speiche im Vorderrad gerissen. Diese wurde notdürftig "verstaut" und vorbei an einer Gruppe Rentiere fuhren wir flott nach Sorstraumen. Der erste Campingplatz den wir anfuhren stellte sich als Stellplatz für Wohnmobile heraus und so fuhren wir noch ein Stückchen weiter zu einem weiteren Campingplatz. Auch dort waren wir das einzige Zelt weit und breit am Platz und genossen noch einen schönen Sonnenuntergang.

Ich wechselte mit Martins Hilfe auch noch schnell mein hinteres Schaltseil aus bevor es Gute Nacht hieß, denn dieses hing bloß noch am "seidenen" Faden.

10.8.2019

Martin versuchte am Morgen noch seine Speiche zu reparieren- leider ohne Erfolg. Die Speiche kommt weg und in Alta, der nächsten Stadt an der wir vorbeikommen, wird versucht für Ersatz zu sorgen. Naja wenigstens Gewicht gespart....das wird sich noch bezahlt machen. Martin organisierte noch ein Frühstück und Lebensmittelvorräte für zwei Tage im 4,5km entfernten Supermarkt. Hier mussten wir uns jetzt entscheiden. Folgen wir weiter der E6 Richtung Alta oder folgen wir unserer ursprünglich geplanten Tour und zweigen ab ins Gelände. Da Martin nun in Julia eine unterstützende Stimme für Abenteuerpartien im Fjell mit an Bord hat entschieden wir uns für die zweite Variante. Nachdem ich die Exit-Regeln aus dem Abenteuerweg festlegte, ließ ich mich breitschlagen und wir zweigten bei Badderen von der E6 auf einen Karrenweg ab. Dieser ließ sich auch nicht lumpen und es ging innerhalb kürzester Zeit auf losem Schotter sacksteil bergauf.

Mehr schiebend als fahrend ging es auf 400m.

Mit meinem Gepäck fand ich das nur peripher berauschend. Und die Aussichten waren auch nicht besser.

Die Tendenz des Weges: steigend, der Weg: ein Karrenweg, teils loses Geröll der jedoch in einen 12km langen Wanderweg entlang einer Stromleitung münden sollte. Und genau hier liegt der Hund begraben: ob dieser Wanderweg fahrbar sein würde wissen wir nicht- aus unseren früheren Testfahrten auf Wanderwegen war ich eher skeptisch, aber was soll man bei zwei motivierten Offroadern mit Fullies entgegenhalten. Schöne und fahrbare Streckenabschnitte waren freilich auch dabei. Anfangs waren diese aber noch etwas rar.

Unterwegs trafen wir auf ein einheimisches Wanderpaar mit denen wir  uns unterhielten. Natürlich erzählte ich von unserem Vorhaben auf diesem Weg  nach Alta zu fahren und ob dies möglich sei. "Ja, das geht schon. Der Weg geht bis Alta"- ob wir das glauben sollten? Ich meinte noch, sie könnten  uns ja auf unserem Blog per GPS Tracking verfolgen und nachschauen ob wir es geschafft hätten oder doch umgekehrt waren. "Ja das machen wir" und fotografierten unsere Lightriders-Fahne ab. Je höher wir kamen umso fahrbarer wurde der Weg.

Schiebepartien gab es trotzdem hin und wieder

Und so kämpften wir uns immer weiter hinauf bis auf über 500m.

Zusätzlich blies auch noch ein gnadenloser Gegenwind. Nach 25km wars für heute genug und ein geeigneter halbwegs windgeschützter Zeltplatz wurde gesucht. Das Zelt wurde windoptimiert aufgestellt und während ich mich in meinem Schlafsack versuchte aufzuwärmen radelten die zwei Abenteuerhungrigen noch Wasser filtern. Danach gabs ein Turmat bevor wir wegen des drehenden Windes auch noch das Zelt umsiedelten.

Eins muss man allerdings auch erwähnen. Die Weite des Fjells und die Aussicht bei Abendsonne sind schon ein Erlebnis.

Um 23:00 Uhr war Zapfenstreich und wir machten uns in unserem windgebeutelten Zelt schlafensbereit.

11.8.2019
"Nachts" (also richtig Nacht mit dunkel und so ist es ja noch immer nicht) um 3:45 weckte uns ein Quadfahrgeräusch- das nutzte ich für einen Natur-WC-Gang. Neugierig wie ich bin musste ich natürlich in Erfahrung bringen was die Gefährte um diese Uhrzeit hier am Fjell zu tun haben. Mit unserem Feldstecher sahen wir, dass es entlang des Flusses nur so von Rentieren wimmelte und diese anscheinend zusammengetrieben wurden. Offensichtlich waren es Samen die sich um ihre Rentiere kümmerten. Wir legten uns natürlich noch mal aufs Ohr und erst um 9:00 krochen wir aus den Federn. Der Wind hatte wieder zugelegt, aber die Sonne schien. Nach einem schnellen Frühstück und Zusammenpacken ging es gegen 11:00 Uhr los. Die Packordnung wurde heute auf Geländegängikeit optimiert: nachdem ich am meisten Gepäck habe und das Zelt und die Futterration dabei habe, gab ich ein paar Schwergewichte an die Fully-FahrerIn ab und nahm den Rucksack vom Gepäckträger. Auch Martin optimierte sein Modulsystem auf Version 2.0: das bedeutet Gewicht weg vom Gepäckträger und nach vorne verlagern. Diese Vorgehensweise wurde auch von Julia praktiziert. Meine Geländereifen habe ich nicht aufgezogen- zu mühsam- was ich mit den Asphaltschlurfen schieben muss würde ich wahrscheinlich auch mit den anderen Reifen schieben- ich probiers einfach. Die Ersatzreifen hab ich erfolgreich Julia angehängt. Kurz nach unserer Abfahrt sollten wir eine Stromleitung kreuzen. Hier zweigte auch der auf der Karte verzeichnete Wanderweg ab und dieser folgte der Stromleitung ungefähr für die nächsten 30km.

Anscheinend wurden hier neue Strommasten errichtet denn wir kamen an einem Baustellenbereich vorbei. Einen Wanderweg sahen wir zwar nicht, dafür ging stattdessen unser Karrenweg auf unserer Route weiter. Das war eine gute Nachricht. Ein paar km später erreichten wir das "Dach" von unserer Fjelltour auf 700m.

Es ging von nun an also tendentiell "bergab". Das bedeutet in Norwegen 20hm hinunter und dann wieder 15hm hoch, dann wieder 20hm runter, 15hm hoch undsoweiterundsofort. Zusätzlich gab es ca. 100 Bäche zu über- und genauso viele Sumpflöcher zu durchqueren, das geht manchmal schneller und manchmal dauerts etwas länger, wir mussten uns aber nirgends die Schuhe ausziehen um durch das Wasser zu waten. Wir hatten insoferne Glück da es schon länger nicht mehr geregnet hatte und die Gegend somit relativ trocken war.

Heute hat auch der Wind gedreht und wir hatten teilweise sogar Rückenwind. Ein paar Rentiere haben sich auch hin und wieder blicken lassen.

Die Weite der tundraartigen Landschaft ließ uns oft schon in der Ferne den Verlauf unseres Weges erkennen- meistens bergauf.

Das trug teilweise nicht gerade zur Motivation bei... das ewige bergauf bergab schien keine Ende zu nehmen.

Nach 30km erreichten wir unsere Abzweigung von der Stromleitung. Mittlerweile befanden wir uns auch wieder unter der Baumgrenze und Fjellbirken säumten den Weg.

Der Karrenweg dem wir von nun an folgten war offensichtlich weniger benutzt, allerdings fanden wir einige Fahrradspuren- ein Lichtblick, denn der Weg musste irgendwie fahrbar sein. Landschaftlich war die Routenführung ein Traum: Fjellbirken und teils schon rötlich gefärbte Bodendecker. Hätten wir kein Gepäck dabei gehabt, wäre es ein wirklich genussvoller Trail. Die verblockten Passagen verlangten uns nicht nur bei den kurzen Anstiegen sondern auch in der Ebene einiges an Fahrtechnik und Kraft ab. Ein gemütliches Dahinrollen gabs nicht- dennoch versuchten wir trotz einsetzender Müdigkeit die Gegend zu genießen- es war wirklich idyllisch. Und tatsächlich erreichten wir eine gut ausgebaute Forststrasse die uns ins Tal brachte. Wir hatten es geschafft und auf der E45 rollten wir wirklich flott ganz ohne Gerumpel auf Asphalt die letzten 12km zum Campingplatz. Hier wartete schon eine gemütliche Hütte für uns.

12.8.2019
Die erste Aktion nach dem Aufstehen war unseren Aufenthalt in der Hütte noch um einen Tag zu verlängern. So hatten wir den heutigen Tag Zeit um in Alta Ersatzspeichen für Martins Vorderrad aufzutreiben und das Alta Museum zu besuchen. In diesem Museum sind die berühmten Felsgravuren von Alta zu besichtigen, die UNESCO-Weltkulturerbestatus besitzen.  Zunächst stand aber die Besorgung der Ersatzspeiche am Programm. Auf dem Weg zu einem Einkaufszentrum mit Sportgeschäften kamen wir auch an der Nordlyskatedralen (Nordlichtkathedrale) von Alta vorbei.

Hier handelt es sich um einen modernen Kirchenbau und das Design der Kirche wurde vom Nordlicht inspiriert. Hier trafen wir Daniel aus Belgien. Er war auch ans Nordkap unterwegs, gestartet ist er allerdings in Barcelona und hat dann noch am Südzipfel von Spanien vorbeigeschaut, sozusagen dem Südkap von Europa. Seine Mission trägt er gut sichtbar als "Fahrradkennzeichen" mit sich: "000 - CO2" also null Emissionen sozusagen.

Unsere Mission, die defekte Speiche zu ersetzen war im zweiten Geschäft erfolgreich, es wurde bei der Gelegenheit auch gleich für ein paar Ersatzspeichen gesorgt. Danach gings ins Alta Museum und wir konnten dort die in großer Menge vorhandenen Felsgravuren besichtigen die bis zu 6000 Jahre alt sind.

Zusätzlich bekamen wir eine kleine Einführung in steinzeitliches Handwerk, bekamen Rentierherz zu kosten und übten uns mal wieder im Bogenschießen.

Damit war der Tag auch schon fast schon wieder vorbei und wir sorgten noch für Proviantnachschub bevor wir wieder in unsere gemütliche Hütte am Campingplatz zurückkehrten. Dort zauberte Julia für uns noch Marmeladepalatschinken. Guten Appetit!

Gesamtkilometerstand: 6251km

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